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Krebs und demografischer Wandel – eine Herausforderung

Nr. 07 | 01.02.2013 | von Koh

Anlässlich des Weltkrebstags am 4. Februar betonen Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum die Herausforderungen, die steigende Krebsraten an eine alternde Gesellschaft stellen.

copyright Daniel Etzold - Fotolia.com

© Daniel Etzold - Fotolia.com

„Demographische Chance“ ist das Motto des Wissenschaftsjahrs 2013, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. „Krebs ist eine Alterskrankheit. Der demographische Wandel wirkt sich auf die Zahl der Krebsneuerkrankungen daher ganz besonders aus“, sagt Prof. Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). „Für die Krebsforschung und Krebsmedizin bedeutet das eine große Herausforderung. Wir müssen die Krebsprävention intensivieren, denn in der Vorbeugung liegt die große Chance für alle, die heute jung und gesund sind. Wichtig ist außerdem, Behandlungsverfahren für den älteren Patienten anzupassen.“

Das mittlere Erkrankungsalter für Krebs insgesamt liegt bei 69 Jahren für Männer und 68 Jahren für Frauen. „Aber nur wenige Krebsarten haben einen Erkrankungsgipfel im jüngeren oder mittleren Lebensalter, darunter Gebärmutterhalskrebs oder Hodenkrebs. Bei diesen Erkrankungen haben wir nur geringe altersbedingte Steigerungen zu erwarten“, sagt Prof. Nikolaus Becker, Leiter des Epidemiologischen Krebsregisters Baden-Württemberg im DKFZ. „Bei der Mehrzahl der Krebsarten steigt jedoch das Erkrankungsrisiko mit dem Alter an. Dazu zählen häufige Krankheiten wie Darm- oder Prostatakrebs, aber auch Bauchspeicheldrüsen-, Magen- und Lungenkrebs“.

Wie dramatisch sich die Lebenserwartung in Deutschland innerhalb von nur zwei Generationen entwickelt hat, zeigt ein Vergleich der Geburtsjahrgänge 1949-1951 und 2009-2011: Innerhalb von gerade mal 60 Jahren stieg die Lebenserwartung um mehr als 14 (Frauen) bzw. mehr als 13 Jahre (Männer). Und die aktuellen Werte liegen wiederum um zwei bzw. drei Monate über denen der vorherigen Erhebung (2008-2010).

„Wichtigstes Ziel der meisten Menschen ist es, die gewonnen Lebensjahre bei guter Gesundheit zu erleben“, so Otmar Wiestler. „Auch im höheren Alter trägt gesundheitsbewusstes Verhalten noch dazu bei, das Krebsrisiko zu senken.“

Das unterstreichen aktuelle Forschungsergebnisse von Prof. Hermann Brenner im DKFZ. „Viele ältere Raucher gehen fälschlicherweise davon aus, dass es für sie ohnehin zu spät sei, um von einem Rauchstopp zu profitieren“, so der Epidemiologe. Wissenschaftler seiner Abteilung prüften deshalb internationale Studien, die den Einfluss des Rauchens auf die Gesamtsterblichkeit bei Menschen über 60 Jahren untersuchen. Dabei achteten sie besonders darauf, wie der Einfluss des Rauchens mit dem Lebensalter zusammenhängt und ob es sich auch im höheren Alter noch lohnt, mit dem Rauchen aufzuhören. Das Ergebnis: auch ältere Raucher profitieren von einem Rauchstopp, der Effekt lässt sich sogar noch für über 80-Jährige nachweisen.

Mehrere Studien deuteten bereits darauf hin, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Brustkrebsrisiko von Frauen senkt. Im DKFZ ging Prof. Karen Steindorf der Frage nach, wie viel Sport die Frauen in welcher Lebensphase treiben müssen, um von dem Schutzeffekt zu profitieren. Dazu verglichen sie und ihre Arbeitsgruppe die körperliche Betätigung während zweier Lebensphasen: vom 30. bis zum 49. Lebensjahr sowie vom 50. Lebensjahr an. Dabei stellte sich heraus, dass sich besonders die Aktivität im höheren Alter auszahlt: Das Brustkrebsrisiko von Frauen, die nach den Wechseljahren regelmäßig körperlich aktiv sind, ist um etwa ein Drittel niedriger als das ihrer trägeren Geschlechtsgenossinnen.

Neben einem gesundheitsfördernden Lebensstil trägt auch die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen dazu bei, Krebs im Alter zu vermeiden. „Wir haben errechnet, dass die Darmkrebsvorsorge, die wir heute betreiben, die Erkrankungs- und Sterbefälle an Darmkrebs in den kommenden Jahren deutlich senken wird – und zwar insbesondere in den höheren Altersstufen. Bereits jetzt sehen wir bei Darmkrebs einen Rückgang der jährlichen Erkrankungszahlen, obwohl aufgrund der demographischen Entwicklung eigentlich eine Zunahme zu erwarten wäre. Dieser Effekt könnte noch viel deutlicher ausfallen, wenn die Früherkennung noch mehr genutzt würde. Leider nehmen insbesondere Männer Früherkennungsuntersuchungen immer noch zu selten wahr“, sagt Hermann Brenner.

Eine besondere Herausforderung stellt auch die Behandlung der teilweise hochbetagten Krebspatienten dar. Prof. Christof von Kalle, Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, sagt: „Viele Krebstherapien sind gerade für ältere Menschen sehr belastend, insbesondere, wenn sie Begleiterkrankungen haben und bereits zahlreiche Medikamente einnehmen müssen. Deshalb ist es umso wichtiger zu beobachten, wie neue Behandlungsformen unter Alltagsbedingungen bei den „echten“, älteren und teilweise multimorbiden Krebskranken wirken. Denn die Patienten in den Zulassungsstudien der jeweiligen Medikamente sind meist deutlich jünger und gesünder“. Diese Versorgungsforschung wird nun durch die Klinischen Krebsregister ermöglicht, deren flächendeckenden Ausbau der Bundestag in diesem Frühjahr beschließen wird.

Auch in der Entwicklung der zielgerichteten, so genannten personalisierten Therapien sieht von Kalle eine Chance, älteren Patienten verträglichere Behandlungen anbieten zu können: „Diese Medikamente sind generell weniger belastend und haben eine geringere Giftigkeit für den Gesamtorganismus.“

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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