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Keine Entspannung für Krebszellen

Nr. 30 | 28.05.2010 | von (Koh)

Viele Tumorzellen wären aufgrund fehlerhaft verteilter Chromosomen nicht lebensfähig, hätten sie nicht einen besonderen Trick entwickelt. Unter Federführung von Wissenschaftlern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum untersuchte ein Forscherteam, welche Erbanlagen dem Krebs diese Überlebensstrategie ermöglichen. Dazu schalteten sie systematisch jedes Gen der Krebszellen einzeln mit der RNAi-Technik aus. Die Forscher veröffentlichen nun in der Zeitschrift Science Translational Medicine, dass Krebszellen auf die Spannung bestimmter Proteinfasern angewiesen sind, um sich vermehren zu können. Proteine, die diese Spannung aufrecht erhalten, sind somit vielversprechende Angriffspunkte für neue, zielgerichtete Krebsmedikamente: Werden sie ausgeschaltet, sterben die Krebszellen ab.
Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Universitätsklinikums Heidelberg.

Mehrpolige, missgebildete Spindel einer Krebszelle
© dkfz.de

Für den korrekten Ablauf einer Zellteilung sind die beiden Zentrosomen verantwortlich: An diesen Polkörperchen im Zellplasma setzen Zugfasern aus Proteinen an, die den frisch verdoppelten Chromosomensatz korrekt auf die beiden neu entstehenden Tochterzellen aufteilen. Unter dem Mikroskop betrachtet bilden diese Fasern dabei ein spindelförmiges Gebilde. Krebszellen haben jedoch häufig mehr als zwei Zentrosomen. Das hat zur Folge, dass ihre Zugfasern nicht notwendigerweise die normale – also spindelförmige – Gestalt mit zwei Enden ausbilden, sondern dass sich auch funktionsunfähige, mehrpolige Gebilde entwickeln. Diese missgebildeten Spindeln verteilen die Chromosomen völlig ungleichmäßig auf die Tochterzellen, die dann nicht mehr lebensfähig sind.

Tumorzellen überleben also nur dann, wenn ihnen trotz überzähliger Zentrosomen eine korrekte Verteilung der Chromosomen gelingt. Dazu haben viele Krebszellen einen Trick entwickelt: Sie bündeln mehrere Zentrosomen zu Aggregaten zusammen. Pro Zelle entstehen zwei Aggregate, zwischen denen sich eine funktionsfähige zweipolige Spindel ausbilden kann. Professor Dr. Alwin Krämer, Leiter einer Klinischen Kooperationseinheit des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Universitätsklinikums Heidelberg, erkannte diesen Trick als bislang kaum beachtete Achillesferse, um Krebszellen außer Gefecht zu setzen. Gemeinsam mit Kollegen aus dem DKFZ, dem Universitätsklinikum Heidelberg, der Medizinischen Fakultät Mannheim sowie der Mayo-Klinik in den USA untersuchte er systematisch, welche Gene die Krebszelle in die Lage versetzen, Zentrosomen-Aggregate zu bilden und damit dem Zelltod zu entgehen.

Dazu schalteten die Forscher mit Unterstützung der Abteilung von Professor Dr. Michael Boutros, DKFZ und Medizinische Fakultät Mannheim, jedes einzelne Gen der Krebszellen aus. Anschließend fahndeten sie unter dem Mikroskop, wo sich mehrpolige, missgebildete Spindeln zeigten. Insgesamt fanden sich 82 Gene, die bei der Bildung von Zentrosomen-Aggregaten eine Rolle spielen. 22 davon nahm das Team genauer unter die Lupe und untersuchte, welche Rolle sie bei der Aggregatbildung spielen. Dabei entdeckten die Wissenschaftler einen zentralen Mechanismus: Damit die Zentrosomen zu Aggregaten gebündelt werden können, müssen die Zugfasern unter Spannung stehen. Nur straff gespannte Zugfasern positionieren die Zentrosomen nahe genug beieinander, dass sich Aggregate bilden können. Für die Spannung sind einen ganze Reihe von Proteinen verantwortlich. Werden deren Gene ausgeschaltet, bilden sich mehrpolige Spindeln, und die Krebszellen sterben ab. Dieser Mechanismus lässt sich möglicherweise für die Entwicklung neuer Krebstherapeutika ausnutzen.

„Eine solche Therapie würde ganz gezielt den Krebs treffen, da nur Tumorzellen überzählige Zentrosomen haben und deshalb auf den Überlebenstrick der Aggregatbildung angewiesen sind“, erklärt der Studienleiter Alwin Krämer. Im Rahmen der strategischen Allianz des Deutschen Krebsforschungszentrums mit der Firma Bayer-Schering wollen die Forscher um Krämer nun unter den identifizierten Genen nach geeigneten Angriffspunkten für eine zielgerichtete Krebstherapie suchen.

Blanka Leber, Bettina Maier, Florian Fuchs, Jing Chi, Phillip Riffel, Simon Anderhub, Ludmila Wagner, Anthony D. Ho, Jeffrey L. Salisbury, Michael Boutros und Alwin Krämer: Proteins Required for Centrosome Clustering in Cancer Cells. Science Translational Medicine, 2010, DOI: 10.1126/scitranslmed.3000915

Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2010/images/PM_30_Kraemer.jpg

Bildunterschrift: Mehrpolige, missgebildete Spindel einer Krebszelle
Bildquelle: Deutsches Krebsforschungszentrum

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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