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Biosensor für Stress in der Zelle

Nr. 29 | 13.05.2008 | von (Koh)

Reaktive Sauerstoffverbindungen, darunter die berühmten "freien Radikale", wirken oxidierend und schädigen dadurch die Zelle, regulieren in niedriger Konzentration aber auch zentrale Prozesse des Lebens. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum entwickelten ein hochempfindliches biologisches Messsystem, das den Oxidationszustand lebender Zellen in Echtzeit bestimmt. Damit können die Forscher erstmals live beobachten, wie biologische Prozesse mit Schwankungen des Oxidationsstatus einhergehen. Auch die oxidative Wirkung von Nahrungsinhaltsstoffen oder pharmazeutischen Wirkstoffen kann mit dem Biosensor untersucht werden. Diese Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler um Dr. Tobias Dick in Nature Methods.

Mit dem Biosensor ausgestattete menschliche Krebszellen zeigen eine unterschiedliche Fluoreszenz vor (links) und nach (rechts) der Entwicklung von oxidativem Stress. Eichmarke: 20 µm.
© dkfz.de

Krebs, Nervenkrankheiten wie Parkinson, Herz-Kreislauf-Störungen und das Alter haben eines gemein: Im erkrankten Gewebe wie auch in alternden Zellen beobachten Wissenschaftler oxidative Veränderungen an wichtigen Biomolekülen. Verursacht werden sie durch reaktive Sauerstoffmoleküle – darunter die berühmten "freien Radikale" –, die als Nebenprodukt der Zellatmung entstehen und Proteine, Nuklein- und Fettsäuren in der Zelle angreifen.

Heute gelten die reaktiven Sauerstoffmoleküle nicht mehr pauschal als Übeltäter, zeigte sich doch, dass sie auch zur Regulation wichtiger Lebensprozesse wie Wachstum und Zelltod dienen. Die richtige Balance zwischen Oxidation und dem umgekehrten Prozess, der Reduktion, entscheidet über Gesundheit und Krankheit. "Oxidativer Stress" entsteht dann, wenn sich dieses Gleichgewicht in Richtung oxidationsfördernder Prozesse verschiebt.

Bislang hatten die Wissenschaftler kaum Möglichkeiten, den Oxidationsgrad und damit den Stresszustand einer lebenden Zelle zu ermitteln. Dies soll nun ein hochempfindlicher Biosensor ändern, den Dr. Tobias Dick und seine Mitarbeiter im Deutschen Krebsforschungszentrum gemeinsam mit Kollegen aus der Universität Heidelberg in der Zeitschrift Nature Methods vorstellen.

Der Biosensor erfasst spezifisch den Oxidationszustand von Glutathion. Dieses wichtige Schutzmolekül fängt in der Zelle einen großen Teil der reaktiven Sauerstoffmoleküle ab, indem es selbst oxidiert wird. Liegt viel Glutathion in der oxidierten Form vor, ist dies ein wichtiger Indikator für den Oxidationsgrad der ganzen Zelle. Die Forscher statteten Testzellen mit einem fluoreszierenden Protein aus, das auf Veränderungen des Oxidationsgrads mit Leuchtsignalen reagiert. Das Leuchtprotein allein ist aber nicht empfindlich genug, daher wurde es mit dem Enzym Glutaredoxin gekoppelt. Glutaredoxin "misst" den Oxidationszustand des Glutathions und überträgt den Wert auf das fluoreszierende Eiweiß.

Der Stress-Biosensor von Dick und Kollegen misst geringste Veränderungen im Oxidationszustand des Glutathions, ohne die Zelle zu zerstören. Noch wichtiger aber, so erklärt Tobias Dick, ist die präzise zeitliche Auflösung: "Um kurze Schwankungen im Oxidationszustand zu verfolgen, muss das System blitzschnell und dynamisch reagieren. Das ist bei unserem Biosensor, der bis in den Sekundenbereich arbeitet, gewährleistet." Die Forscher können mit dem Messsystem die kurzzeitigen Schwankungen erfassen, die auftreten, wenn reaktive Sauerstoffverbindungen als Signalmoleküle ausgeschüttet werden. Ebenso eignet sich der Biosensor aber für die pharmazeutische Forschung, um etwa den Effekt neuer Wirkstoffe oder pflanzlicher Nahrungsinhaltsstoffe auf die oxidativen Prozesse und damit auch auf den Stresszustand der Zelle zu bestimmen.

Marcus Gutscher, Anne-Laure Pauleau, Laurent Marty, Thorsten Brach, Guido H. Wabnitz, Yvonne Samstag, Andreas J. Meyer und Tobias P. Dick: Real-time imaging of the intracellular glutathione redox potential. Nature Methods 2008, DOI: 10.1038/nmeth.1212

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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