Blick hinter die Kulissen der Gensteuerung – künstliche Haut als Modell
Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums – aus den Abteilungen "Signaltransduktion und Wachstumskontrolle" unter Leitung von Dr. Peter Angel und "Differenzierung und Karzinogenese" unter der Leitung von Prof. Norbert Fusenig – ist es gelungen, bisher unbekannte Steuerungsmechanismen in Zellen der Haut aufzuspüren. Sie beruhen auf dem wechselseitigen Austausch von Wachstumsfaktoren durch Zellen der Epidermis (Keratinozyten) und der Dermis (Fibroblasten). Durch die Kombination von menschlichen Keratinozyten mit genetisch veränderten Fibroblasten aus Mäusen konnten neue zellinterne Verständigungswege aufgezeigt werden*.
So haben die Wissenschaftler neben einem bekannten Botenstoff (KGF) den Faktor GM-CSF als einen wesentlichen Regulator von Wachstum und Differenzierung der Epidermis identifiziert und seine Funktion charakterisiert. Die Bedeutung von GM-CSF war bisher nur aus dem blutbildenden System bekannt.
Keratinozyten geben die Order zur Synthese von GM-CSF und KGF an Fibroblasten. Die Produktion wird gesteuert über zwei Komponenten des zentralen Genschalters AP-1, der viele wichtige Gene steuert.
Über die aktuelle Bedeutung dieser Erkenntnisse für die Hautbiologie und Pathologie hinaus haben die Befunde weitreichende und generelle Bedeutung in folgenden Bereichen:
* die Zellkommunikation in Geweben ist nicht spezifisch für eine Säugetierart; d.h. sie erfolgt in einer "Sprache", die von Maus und Mensch gleichermaßen verstanden wird
* gezüchtete Gewebe aus genetisch veränderten Zellen der Maus sind geeignete Modelle zur Untersuchung biologischer Grundprobleme in komplexen Organen und von unterschiedlichen krankhaften Situationen. Modelle wie das hier vorgestellte sind deshalb von großer Bedeutung als Reagenzglas-Testsysteme für pharmazeutische Substanzen zur Therapie von verschiedenen Krankheiten. Dies gilt in erster Linie für die Haut, aber auch für andere Organsysteme, an deren Rekonstruktion (tissue-engineering) derzeit weltweit gearbeitet wird.
* zu erwarten wäre auch, daß dieses verbesserte Haut-Testmodell, für das kürzlich ein Patent beantragt wurde, eine verläßliche Vorauswahl und Voraussage bei der Analyse pharmazeutischer Substanzen bietet, deren Untersuchung augenblicklich ausschließlich im Tierversuch durchgeführt wird.
Nähere Erklärung zu in Kultur gezüchteten Hautmodellen:
Die Zellen eines Körpers, alle ausgestattet mit dem gleichen Satz von Genen, sind in der Lage, ihre Eiweißproduktion zu verändern, um dadurch dem Körper die Möglichkeit zu geben, auf äußere und innere Einflüsse adäquat zu reagieren. Diese Veränderungen werden vor allem dadurch hervorgerufen, daß Botenstoffe (Hormone, Wachstumsfaktoren, Zytokine) über ein kompliziertes Regelwerk von molekularen Schaltern gezielt die Genaktivität verändern. Während diese Steuerungsmechanismen in der Einzelzelle durch Studien in der Kulturschale zunehmend besser verstanden werden, sind die Kenntnisse der Regelungsabläufe zwischen unterschiedlichen Zellen in komplexen Geweben noch bruchstückhaft. Aus zahlreichen Studien ist bekannt, daß die Feinstruktur und normale Funktion eines Gewebes, wie z.B. der Haut, durch ein intensives Wechselspiel zwischen Zellen der Oberhaut (Epidermis) und dem darunter liegenden Bindegewebe (Dermis) aufrechterhalten bzw. nach Verletzung wiederhergestellt werden. Zur Identifizierung der Botenstoffe, die zwischen Epidermis und Dermis ausgetauscht werden, d.h. der Entschlüsselung ihrer Zwiesprache, wurden vereinfachte Modelle in der Zellkultur entwickelt**. Diese bestehen aus Zellen der Epidermis (Keratinozyten) und der Dermis (Fibroblasten), zusammengehalten von einer Kittsubstanz der Dermis, einem Kollagengel. Unter kontrollierten Kulturbedingungen erfolgt durch Kooperation der beiden Zellarten eine strukturell und funktionell weitgehend normale Epidermis, ein Gewebe, das auch zur Deckung von Hautwunden (Brandverletzungen, Geschwüre) sowie als Alternativmodell zum Tierversuch in der Toxikologie Verwendung findet.
*Axel Szabowski, Nicole Maas-Szabowski, Sven Andrecht, Andrea Kolbus, Marina Schorpp-Kistner, Norbert E. Fusenig, and Peter Angel (2000) c-jun and junB Antagonistically Control Cytokine-Regulated Mesenchymal-Epidermal Interaction in Skin. Cell 103, 745-755
**Maas-Szabowski, N., Stark, H.J., and Fusenig, N.E. (2000) Keratinocyte growth regulation in defined organotypic cultures through IL-1-induced KGF expression in resting fibroblasts. J. Invest. Dermatol. 114, 1075-1084
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.