Dr. Eberhard Amtmann, Abteilung Immunregulation und Tumorabwehr im Deutschen Krebsforschungszentrum, und Dr. Gerhard Schilling, Chemisches Institut der Universität Heidelberg, haben zusammen eine neue, gegen Krebs wirkende Platinverbindung, das Thioplatin, entwickelt. Diese chemische Verbindung ist nur sehr gering giftig und verspricht deshalb sehr viel geringere Nebenwirkungen als bisherige Chemotherapien. Die britische Firma Antisoma hat im Oktober eine Lizenz für Thioplatin erworben. Die Lizenzverhandlungen wurden unter Vermittlung der in London ansässigen Technologieverwertungsgesellschaft Cancer Research Venture geführt.
Platinverbindungen wie Cisplatin gehören zu den wichtigsten Krebsmedikamenten. Mit ihrem Einsatz in der Kombinationstherapie ist die Heilung einer Reihe von Krebserkrankungen möglich, z.B. der Lunge, des Eierstocks und der Hoden. Trotz ihrer Wirksamkeit ist die therapeutische Dosis dieser Substanzen durch potentiell schwere Nebenwirkungen eingeschränkt, die unter anderem zu den häufig auftretenden Übelkeiten und Erbrechen führen.
In den letzten Jahren wurde deshalb eine große Zahl an neuen Platinverbindungen synthetisiert – aber alle diese Verbindungen wiesen gewisse strukturelle Ähnlichkeiten auf und sind deswegen in ihren Nebenwirkungen der Urverbindung Cisplatin ähnlich.
Einen völlig neuen Weg sind die Wissenschaftler im Krebsforschungszentrum und in der Universität Heidelberg gegangen, indem sie schwefelhaltige Platinverbindungen prüften. Sie fanden bei ihren Arbeiten eine Verbindung, das Thioplatin, die nur im leicht angesäuerten Milieu auf Zellen giftig wirkt. Dieses Phänomen hat für die Tumortherapie einen entscheidenden Vorteil: Bereits in den 20er Jahren hatte der spätere Nobelpreisträger Otto Warburg entdeckt, dass Tumorzellen ihren Energielieferanten Glukose zu Milchsäure vergären und nicht, wie gesunde Zellen, zu Wasser und Kohlendioxid veratmen. Die Folge ist, dass in soliden Tumoren häufig ein leicht angesäuertes Milieu anzutreffen ist. Diese Tatsache ist seit langem bekannt. Es wurden mehrfach deshalb Versuche unternommen, diesen Umstand für die Verbesserung der Tumortherapie zu nutzen. Der Säuregrad zwischen normal und Tumorgewebe unterscheidet sich jedoch nur geringfügig (Normalgewebe 7,2 – 7,4; Tumor etwa 6,8). Die in Heidelberg gefundene Platinverbindung zeigt nun aber genau in diesem Bereich den Übergang zwischen giftig und ungiftig. D.h., im Tumorgewebe werden Zellen getötet, im Normalgewebe wirkt die Verbindung dagegen nicht; sie schadet nicht den gesunden Zellen.
Thioplatin wurde mit Hilfe von Zellkulturen entwickelt. Die Anti-Krebs-Wirkung wurde an menschlichen Tumoren, die auf Mäuse transplantiert worden sind, nachgewiesen.
Ziel der Vereinbarung mit der Firma Antisoma ist es, in den nächsten Jahren zu überprüfen, inwieweit diese experimentellen Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Mit einer klinischen Anwendung rechnet die Firma in etwa zwei Jahren.
Ein Krebsmedikament mit geringerer Giftigkeit als bisherige würde die Möglichkeit einer intensiveren, höher dosierten Behandlung eröffnen und damit bessere Behandlungschancen bieten. Gleichzeitig würde eine höhere Lebensqualität für den Patienten in Behandlung gesichert werden können.
Über das DKFZ
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
- Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
- Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
- Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
- Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
- DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
- Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.