David Brocks hat sich für dieses Projekt mit einem bestimmten epigenetischen Mechanismus beschäftigt, der als DNA-Methylierung bezeichnet wird. Dabei hängt die Zelle Methylgruppen an einzelne DNA-Bausteine und beeinflusst dadurch, inwieweit der Bauplan für ein bestimmtes Protein verfügbar ist oder nicht. Das kann gravierende Folgen für den Organismus haben: Ist zum Beispiel ein Gen für einen Wachstumsfaktor wenig methyliert und damit sehr aktiv, kann dies dazu führen, dass sich die Zelle ungehindert teilt und im schlimmsten Fall Krebs entsteht. Verschiedene Faktoren beeinflussen das Muster der Methylgruppen auf der DNA und beeinflussen damit möglicherweise, welche Gene ein- oder ausgeschaltet sind. So kann beispielsweise die Ernährung zu epigenetischen Veränderungen führen und damit letztlich Krankheiten begünstigen.
Immer mehr Wissenschaftler widmen sich derzeit diesem spannenden Forschungsfeld, doch in der breiten Öffentlichkeit ist die Epigenetik bislang noch weniger bekannt als die Genetik. Um das komplizierte Thema zugänglicher zu machen, hat David Brocks, Doktorand in der Abteilung für Epigenetik und Krebsrisikofaktoren am DKFZ, eine Methode entwickelt, die das epigenetische Muster des Erbguts in Musik umwandelt.
Dazu betrachtet David Brocks nur solche Stellen in der DNA, an denen die Zelle Methylgruppen anbringen kann. Im gesamten Erbgut sind das etwa 28 Millionen Positionen, die entweder methyliert sein können oder nicht. “Die Idee war, mehrere von diesen Methylierungspunkten zu kombinieren, um eine größere Komplexität von Musik und Noten herstellen zu können“, erklärt Brocks. Er fasst deshalb jeweils Abschnitte mit sieben potentiellen Modifikationspunkten zusammen. Für jeden solchen Abschnitt ergeben sich 2 hoch 7, also 128 theoretisch mögliche Sequenzen, denen er jeweils bestimmte Akkorde oder Tonfolgen zuordnet. Mehrere Abschnitte aneinandergereiht spiegeln musikalisch das Methylierungsmuster eines betrachteten DNA-Abschnitts wider. Das Beispiel einer DNA-Region, die bei der Entstehung von Prostatakrebs eine Rolle spielt, macht den Unterschied hörbar: Bei den Krebszellen „klingt“ der DNA-Abschnitt durch die vielen zusätzlichen Methylgruppen ganz anders als bei gesunden Zellen, deren DNA deutlich weniger methyliert ist.
Brocks erhält für seine Methode positive Resonanz aus der ganzen Welt. Ein Kollege aus Australien, der an Zwillingen forscht, hat sogar ein konkretes Interesse bekundet. “Er hatte mich gefragt, ob es möglich wäre, die epigenetischen Unterschiede bei einem Zwillingspaar anhand der Musiktransformation zu vergleichen“, erzählt Brocks. Während die Abfolge der DNA-Bausteine im Erbgut bei eineiigen Zwillingen nahezu identisch ist, treten im epigenetischen Muster aufgrund unterschiedlicher Umwelteinflüsse durchaus Unterschiede auf.
Eine Hörprobe der 'epigenetischen Melodie' gibt es im DKFZ-Audiobeitrag oder in der Publikation.
David Brocks: Musical patterns for comparative epigenomics.
Clinical Epigenetics 2015, 10.1186/s13148-015-0127-8