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Immunologische Riesen und Zwerge

Nr. 16c | 15.03.2013 | von Koh

Der menschliche Körper ist ständig einer Vielzahl verschiedener Krankheitserreger ausgesetzt. Angesichts der Häufigkeit der Angriffe durch Viren oder Bakterien werden wir jedoch extrem selten krank. Das liegt vor allem an einem bestimmten Typ von Immunzellen, den so genannten T-Killerzellen: Ist eine Immunreaktion notwendig, beginnen die Killerzellen sich derart zu vermehren, dass sie gegen die Krankheitserreger schnell und zudem langfristig wirksam vorgehen können. So verhindern sie einen Krankheitsausbruch. Forscher vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene (MIH) der Technischen Universität München haben jetzt gemeinsam mit Kooperationspartnern am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) im Detail geklärt, wie dieser Vermehrungsprozess abläuft. Dabei gelang es ihnen, diesen Prozess ausgehend von einzelnen Immunzellen zu beobachten. Von ihren Erkenntnissen erhoffen sich die Forscher Hinweise, wie Menschen mit geschwächter Immunabwehr bei der Bekämpfung von Krankheiten oder Tumoren unterstützt werden können. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Humane T-Zelle im Elektronenmikroskop
© Wikimedia Commons

„Bisher ließen sich nur Gruppen von Immunzellen bei der Krankheitsabwehr beobachten“, sagt Prof. Dr. Dirk Busch, Direktor des MIH: „Wir haben die Techniken so weiter entwickelt, dass wir jetzt einzelne T-Zellen dabei beobachten können.“ Dazu geben die Forscher speziell markierte T-Zellen in Mäuse, in denen sie dann eine spezifische Immunreaktion auslösen. Nach etwa acht Tagen analysiert das Team um Busch, wie viele und welche Art von Nachkommen aus diesen Einzelzellen entstanden sind. Das Ergebnis erläutert Veit Buchholz, Arzt und Wissenschaftler am MIH und Erstautor der Science-Veröffentlichung: „Die Nachkommen einer ursprünglichen T-Killerzelle schlagen unterschiedliche Karrieren ein. Manche vermehren sich rasch und erzeugen eine große Zahl von Nachfahren. Wir nennen sie deshalb „Riesen“. Sie wenden sich sofort gegen die Krankheitserreger, die dadurch schnell und wirksam bekämpft werden. Die Riesen sind jedoch nur sehr kurzlebig. Andere Nachkommen der T-Zellen – die „Zwerge“ – vermehren sich langsam, leben aber deutlich länger. Ihre wenigen Nachfahren bieten langfristig Schutz: Sie bilden das immunologische Gedächtnis an den Krankheitserreger.“

In welche Richtung sich eine bestimmte Zelle entwickelt, können die Wissenschaftler vorab nicht sagen, das sei zufällig, so Buchholz: „Erst ein Satz von etwa 50 Ausgangszellen generiert eine vorhersagbare Immunantwort. Genau hier setzen die mathematischen Methoden an, die Prof. Dr. Thomas Höfer und seine Arbeitsgruppe am DKFZ entwickelt haben. Aus der Analyse sehr vieler Riesen und Zwerge konnten sie das Entwicklungsprogramm der T-Zellen rekonstruieren und sogar ihr Verhalten vorhersagen: Alle Zellen durchlaufen prinzipiell den gleichen Entwicklungsweg, nur kommen sie dabei unterschiedlich weit. So sind die immunologischen Riesen ebenfalls durch ein Zwergenstadium gegangen, haben dieses jedoch am Höhepunkt der Immunreaktion bereits hinter sich gelassen. „Dass unsere Vorhersagen durch nachfolgende Experimente in München im Detail bestätigt wurden, hat unsere Theorie nachhaltig gestützt“, erläutert Thomas Höfer: „Die von uns entwickelten mathematischen Methoden wollen wir nun auch zur Aufklärung der Biologie von Tumorstammzellen einsetzen.“

Aus dem Entwicklungsprogramm der T-Zellen folgt, dass das anfängliche Verhältnis von Riesen zu Zwergen langfristig für das Immunsystem große Bedeutung haben kann: Je größer der Anteil der sich schnell vermehrenden Zellen ist, umso schlechter ist das immunologische Gedächtnis; bei erneutem Eindringen desselben Krankheitserregers ist keine adäquate Immunantwort möglich. „Therapeutisch kann es interessant werden, bei immungeschwächten Menschen – etwa im Alter oder bei Krebspatienten – zu Beginn einer Immunreaktion das Verhältnis zu Gunsten der Zwerge zu verschieben“, sagt Prof. Dirk Busch: „Die Krankheitsabwehr ist dann kein schnell verlöschendes Strohfeuer, sondern wirkt länger und wirkungsvoller.“

Veit R. Buchholz, Michael Flossdorf, Inge Hensel, Lorenz Kretschmer, Bianca Weissbrich, Patricia Gräf, Admar Verschoor, Matthias Schiemann, Thomas Höfer und Dirk H. Busch: Disparate individual fates compose robust CD8+ T cell immunity. Science 2013, DOI: 10.1126/science.1235454

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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