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Ausgezeichnete Krebsforschung: Dioxin-ähnlicher Botenstoff macht Hirntumoren besonders aggressiv

Nr. 08c | 06.02.2013

Hirntumoren beschleunigen mit neu entdecktem Stoffwechselweg ihr Wachstum / Heidelberger Neuroonkologe Professor Dr. Michael Platten erhielt den mit 10.000 Euro dotierten Sir Hans Krebs-Preis

Professor Dr. Michael Platten
© Universitätsklinikum Heidelberg

Besonders aggressive Hirntumoren bilden verstärkt einen Botenstoff, der dem Umweltgift Dioxin ähnelt, kurbeln damit ihr weiteres Wachstum an und schwächen das Immunsystem. Für diese Entdeckung ist Professor Dr. Michael Platten, Neuroonkologe am Universitätsklinikum Heidelberg und Arbeitsgruppenleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum, nun von der Gesellschaft der Freunde der Medizinischen Hochschule Hannover mit dem Sir Hans Krebs-Preis 2012 ausgezeichnet worden. Das Preisgeld beträgt 10.000 Euro. Derzeit sucht das Team nach Wirkstoffen, die den neu entdeckten Stoffwechselweg hemmen und die Krebstherapie unterstützen könnten.

Gliome sind die häufigsten und bösartigsten Hirntumoren bei Erwachsenen, etwa 75 Prozent davon gelten als besonders aggressiv. In Deutschland erkranken jährlich ca. 4.500 Menschen an einem Gliom. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung beträgt acht Monate bis zwei Jahre. Standardtherapie ist die möglichst vollständige Entfernung des Tumors gefolgt von einer Strahlenbehandlung, meist in Kombination mit Chemotherapie. Dennoch sind die Resultate unbefriedigend, da der Tumor eine hohe Widerstandskraft besitzt und frühzeitig nachwächst. Neue Behandlungsansätze werden dringend benötigt.

Stoffwechselprodukt wirkt in Tumorzellen wie Umweltgift Dioxin

Wissenschaftler der Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe „Experimentelle Neuroimmunologie“ am DKFZ um Professor Platten sowie der Abteilung Neuroonkologie des Universitätsklinikums und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen unter der Leitung von Professor Dr. Wolfgang Wick stießen in Tumorzellen von Krebspatienten und Mäusen auf das Molekül Kynurenin. Es entsteht, wenn die Aminosäure Tryptophan – ein stetig im Körper vorhandener Bestandteil von Eiweißen – auf bestimmte Weise abgebaut wird. „Besonders Krebszellen von Patienten mit sehr schnell wachsendem Gliom bilden verstärkt Kynurenin“, erklärt Platten.

Die Forscher fanden in den Tumorzellen sowohl das Eiweiß, das Tryptophan in Kyrunenin umwandelt, als auch den Interaktionspartner, der für die schädliche Wirkung des Abbauprodukts eine entscheidende Rolle spielt: Kynurenin aktiviert den sogenannten Dioxinrezeptor (Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor) und setzt eine Kettenreaktion in Gang, die das Tumorwachstum weiter fördert. Bislang war nur bekannt, dass der Rezeptor durch Umweltgifte, z.B. das krebserregende Dioxin, aktiviert wird. Welche Rolle er in gesunden Körperzellen spielt, ist nicht bekannt. „Kynurenin scheint ganz ähnliche Auswirkungen zu haben wie Dioxin, nur dass es vom Körper selbst gebildet wird“, so Platten. Nun sucht das Team nach Möglichkeiten, diesen neu entdeckten Stoffwechselweg zu blockieren und damit das Tumorwachstum zu verlangsamen.

Die Auszeichnung der Medizinischen Hochschule Hannover wird an herausragende Arbeiten der medizinischen Grundlagenwissenschaft verliehen. Namensgeber ist der deutsche Biochemiker und Mediziner Hans Adolf Krebs (1900 bis 1981), der 1937 den Zitronensäurezyklus (auch Krebs-Zyklus), einen unverzichtbaren Stoffwechselweg für die Energiegewinnung in den Zellen, entdeckte. Dafür erhielt er 1953 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

Literatur:
Christiane A. Opitz, Ulrike M. Litzenburger, Felix Sahm, Martina Ott, Isabel Tritschler, Saskia Trump, Theresa Schumacher, Leonie Jestaedt, Dieter Schrenk, Michael Weller, Manfred Jugold, Gilles J. Guillemin, Christine L. Miller, Christian Lutz, Bernhard Radlwimmer, Irina Lehmann, Andreas von Deimling, Wolfgang Wick, Michael Platten.
An endogenous ligand of the human aryl hydrocarbon receptor promotes tumor formation.
DOI: 10.1038/nature10491

Weitere Informationen im Internet:
www.dkfz.de/de/neuroimmunologie/
www.dkfz.de/de/neuroonkologie/
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Abteilung-fuer-Neuroonkologie.105540.0.html

Kontakt:
Prof. Dr. Michael Platten
Leiter der Helmholtzgruppe Experimentelle Neuroimmunologie, Deutsches Krebsforschungszentrum
Leitender Oberarzt, Abteilung Neuroonkologie
Neurologische Universitätsklinik Heidelberg
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen

E-Mail: michael.platten@med.uni-heidelberg.de
Tel.: 06221 56-6804

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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