microRNA steuert Bösartigkeit und Resistenz von Brustkrebszellen
Resistenzen gegen Medikamente sind der Hauptgrund dafür, dass Brustkrebs bei vielen Patientinnen nicht wirksam bekämpft werden kann. Wissenschaftlern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum ist es nun gelungen, Tamoxifen-resistente Brustkrebszellen mit Hilfe eines winzigen RNA-Moleküls wieder empfindlich für das Medikament zu machen. Die RNA-Schnipsel unterdrücken die Bildung eines Proteins, das das Krebswachstum fördert. Hinweise darauf, dass sie auch klinisch eine Rolle spielen, fanden die Forscher in Gewebeproben von Brusttumoren.
Viele Brustkrebspatientinnen erhalten das Medikament Tamoxifen. Der Wirkstoff blockiert die Wirkung des Östrogens und unterdrückt dadurch die Wachstumssignale des Hormons in den Krebszellen. Während der Entwicklung von Resistenzen gegen das Medikament schalten Tumorzellen auf ein anderes Wachstumsprogramm um: Sie verändern Verhalten und Gestalt, werden beweglicher und erlangen auch die Fähigkeit, in umgebende Gewebe einzudringen. Diese Veränderungen beobachteten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum um PD Dr. Stefan Wiemann auch an Tamoxifen-resistenten Brustkrebszellen.
„Resistenzen gegen Medikamente sind bei vielen Krebserkrankungen der Hauptgrund dafür, dass Therapien versagen und die Krankheit fortschreitet“, erklärt Wiemann. „Wir wollen verstehen, was dabei in den Zellen passiert, um in Zukunft bessere Therapien entwickeln zu können.“ Wiemanns Mitarbeiter Dr. Özgür Sahin vermutet, dass so genannte microRNAs bei der Resistenzentstehung eine Rolle spielen. „Diese winzigen RNA-Schnipsel steuern viele zelluläre Vorgänge, indem sie sich passgenau an bestimmte Genabschriften heften und so die Proteinproduktion blockieren.“
Durch regelmäßige Gabe von Tamoxifen machten die Wissenschaftler aus Sahins Team Brustkrebszellen in der Kulturschale resistent gegen das Medikament. Parallel zur Resistenzentstehung schalteten die Krebszellen auf das Entwicklungsprogramm um, das sie noch invasiver und bösartiger wachsen lässt. Beim Überprüfen des gesamten microRNA-Spektrums in den resistenten Krebszellen fiel dem Team auf, dass die Produktion der microRNA 375 besonders stark gedrosselt war. Kurbelten die Forscher die Produktion der microRNA 375 an, reagierten die Zellen wieder auf Tamoxifen und schalteten auch auf ihr normales Wachstumsprogramm zurück. „Das ist ein starker Hinweis dafür, dass Mangel an microRNA 375 sowohl die Bösartigkeit steigert als auch zur Resistenzentstehung beiträgt“, sagt Özgür Sahin.
Ist die Konzentration der microRNA 375 niedrig, steigern Brustkrebszellen die Produktion von Metadherin. Offenbar unterdrückt microRNA 375 in gesunden Zellen die Bildung dieses krebsfördernden Proteins. Die Forscher fanden bei Patientinnen unter Tamoxifen-Therapie, dass ein hoher Gehalt an Metadherin in den Krebszellen mit einem hohen Rückfallrisiko verbunden ist. Das deutet darauf hin, dass microRNA 375 und Metadherin eine Rolle bei der Entstehung einer Tamoxifen-Resistenz spielen.
„Die Analyse der microRNAs bei Brustkrebs hat uns auf die Spur von Metadherin gebracht. Möglicherweise können wir in Zukunft die krebsfördernden Eigenschaften dieses Proteins zielgerichtet beeinflussen“, schildert Wiemann das Ziel weiterer Forschung.
Ward, A. Balwierz, J. David Zhang, M. Küblbeck, Y. Pawitan, T. Hielscher, S. Wiemann und Ö. Sahin: Re-expression of microRNA-375 reverses both tamoxifen resistance and accompanying EMT-like properties in breast cancer. Oncogene 2012, DOI: 10.1038/onc.2012.128
Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2011/images/Brustkrebszellen.jpg
BU: Brustkrebszellen
Quelle: Dr. Lutz Langbein, Deutsches Krebsforschungszentrum
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