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Einzelner Gendefekt löst Hirntumor aus

Nr. 14 | 15.03.2011 | von (Koh)

Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Universitätsklinikum Heidelberg zeigen an Mäusen: Ein Defekt in einem einzigen Gen, das an der Signalgebung der Zelle beteiligt ist, reicht aus, um einen gefährlichen Hirntumor auszulösen.

Gewebeschnitt eines Mäuse-Gehirns mit pilozytischem Astrozytom (rechte Bildhälfte); die Astrozyten sind braun gefärbt.
© dkfz.de

Das pilozytische Astrozytom, der häufigste Hirntumor bei Kindern, wächst langsam und ist meist gutartig. Oft jedoch können Chirurgen den diffus wachsenden Tumor nicht gänzlich herausoperieren. Das bedeutet, dass die Patienten unbedingt weitere Therapien benötigen, um verbleibendes Tumorgewebe abzutöten. Chemo- oder Strahlentherapie, die überdies zu starken Nebenwirkungen führen können, beeinflussen gerade diese sehr langsam wachsenden Tumoren kaum – die erkrankten Kinder sind dringend auf neue, zielgerichtete Behandlungen angewiesen.

Ein typischer Gendefekt dieser Hirntumoren ist bereits bekannt: „Aus unseren eigenen Untersuchungen wissen wir, dass bei der überwiegenden Mehrzahl der pilozytischen Astrozytome ein Fehler im Gen BRAF vorliegt“, sagt Professor Dr. Peter Lichter aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum. Dieser Defekt führt dazu, dass ein wichtiger zellulärer Signalweg, der in gesunden Zellen nur bei akutem Bedarf eingeschaltet wird, dauerhaft aktiv ist.

Jan Gronych aus Lichters Abteilung untersuchte nun gemeinsam mit Kollegen aus dem Universitätsklinikum Heidelberg, welche Bedeutung der BRAF-Defekt tatsächlich für die Krebsentstehung hat. Dazu verpackten die Forscher ein defektes BRAF-Gen in ein Virus und schleusten es so in Nervenvorläuferzellen von Mäusen ein. Bei 91 Prozent der so behandelten Tiere entwickelten sich im Bereich der Injektionsstelle Tumoren, die in Biologie, Wachstumseigenschaften und Gewebestruktur dem pilozytischen Astrozytom entsprachen.

Die Zellen dieser Tumoren zeigten alle das typische Symptom eines defekten BRAF-Gens, das dauerhaft aktivierte Enzym MAP-Kinase. „Das beweist, dass tatsächlich ein einziger Gendefekt ausreicht, um ein pilozytisches Astrozytom auszulösen“, fasst Lichter die Ergebnisse zusammen.

Die dauerhaft aktive MAP-Kinase liefert der Krebszelle ständig Wachstumssignale, ist aber zugleich ihre Achillesferse: In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Medikamenten entwickelt, die ganz spezifisch die Enzymaktivität von Kinasen unterdrücken und dadurch das Krebswachstum aufhalten können. Die Heidelberger Forscher zeigten, dass Gehirnzellen, die durch ein defektes BRAF-Gen zu ständiger krankhafter Zellteilung getrieben werden, nach Behandlung mit dem Kinase-Hemmstoff Sorafenib ihr Wachstum verlangsamten.

„Bisher fehlte uns ein geeignetes Modellsystem, um neu entwickelte Medikamente gegen das pilozytische Astrozytom zu erproben“, sagt Peter Lichter. „Die BRAF-Mäuse eröffnen uns die Möglichkeit, neue Kinase-Inhibitoren oder auch andere Medikamente gezielt auf ihre Wirksamkeit gegen diese Krebserkrankung zu testen.“

Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur Verfügung unter
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2011/images/Astrozytom.jpg
Legende: Gewebeschnitt eines Mäuse-Gehirns mit pilozytischem Astrozytom (rechte Bildhälfte); die Astrozyten sind braun gefärbt.

Quelle: Jan Gronych, Deutsches Krebsforschungszentrum

Jan Gronych, Andrey Korshunov, Josephine Bageritz, Till Milde, Manfred Jugold, Dolores Hambardzumyan, Marc Remke, Christian Hartmann, Hendrik Witt, David T.W. Jones, Olaf Witt, Sabine Heiland, Martin Bendszus, Eric C. Holland, Stefan Pfister und Peter Lichter:
An activated mutant BRAF kinase domain is sufficient to induce pilocytic astrocytoma in mice. The Journal of Clinical Investigations, 2011, DOI: 10.1172/JCI44656

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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