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Stopp-Signal für Leukämiestammzellen

Nr. 44 | 15.08.2011 | von (Koh)

Ein internationales Krebsforscherteam, dem auch Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum angehören, entdeckte, dass überaktive Signale eines Wachstumsfaktors die akute T-Zell-Leukämie fördern. Blockierten die Forscher den als IGF1 bezeichneten Faktor, stellten die Blutkrebszellen ihr Wachstum ein. Darüber hinaus verloren auch die besonders gefährlichen Krebsstammzellen ihre Fähigkeit, sich selbst zu erneuern. Bereits verfügbare Hemmstoffe des Wachstumsfaktors könnten dabei helfen, diese Form der Leukämie besser zu behandeln und Rückfälle zu vermeiden.

Knochenmarksausstrich einer akuten T-Zell-Leukämie

Knochenmarksausstrich einer akuten T-Zell-Leukämie
© Hind Medyouf, Deutsches Krebsforschungszentrum

Eine große Zahl spezialisierter Wachstumsfaktoren sorgt dafür, dass Zellen der verschiedenen Gewebe des Körpers sich bei Bedarf teilen und ausdifferenzieren. Die hormonähnlichen Faktoren binden an die jeweils passenden Rezeptoren auf der Oberfläche ihrer Zielzellen und geben damit den Befehl zur Zellteilung. Doch eine einzige Erbgutveränderung kann ausreichen, dass das System außer Kontrolle gerät: Ist etwa das Gen für einen Wachstumsfaktor oder für den dazugehörigen Rezeptor überaktiv, so wird die Zelle ständig dazu angeregt, sich zu teilen – die Folge kann Krebs sein.

Solche fehlerhaften Wachstumssignale spielen bei zahlreichen Krebserkrankungen eine Rolle. So bilden Brustkrebszellen bei etwa 20 Prozent der erkrankten Frauen zu viele Rezeptoren für den Wachstumsfaktor Her2/neu; bei Darmkrebs stellen Ärzte oft eine Überproduktion des Wachstumsfaktors EGF fest.

Gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich, Kanada und den USA entdeckten nun Wissenschaftler um Professor Dr. Andreas Trumpp aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum, dass auch bei der akuten T Zell-Leukämie (T-ALL) das bösartige Zellwachstum von einem Wachstumsfaktor angetrieben wird. In diesem Fall spielt der „insulinähnliche Wachstumsfaktor 1“ (IGF1) die entscheidende Rolle.

Die Forscher fanden heraus, dass bei der T-ALL zu viele IGF1-Rezeptoren vorhanden sind. Die Leukämiezellen werden dadurch besonders empfindlich für die Signale des IGF1. Blockierten die Wissenschaftler den IGF1-Rezeptor mit spezifischen Hemmstoffen oder schalteten das Gen für den Rezeptor aus, stellten die Blutkrebszellen das Wachstum ein. Das funktionierte sowohl bei Krebszellen von Mäusen als auch bei Leukämiezellen des Menschen.

Die Blockade des IGF1-Signals stoppte aber nicht nur das Wachstum der Krebszellen. Auch die gefährlichen Krebsstammzellen verloren ihre Fähigkeit, sich selbst zu erneuern. Das wiesen die Forscher mit einem klassischen Experiment nach, der so genannten seriellen Transplantation: Sie übertrugen T-ALL-Zellen, die nur noch geringe Mengen an IGF1-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche bildeten, auf Mäuse. Während T-ALL-Zellen normalerweise immer eine Leukämie in den Empfängertieren auslösen, erkrankten nach Injektion der veränderten T-ALL nur noch sehr wenige Mäuse an Blutkrebs. Das war für die Forscher der entscheidende Hinweis darauf, dass die Leukämiestammzellen fehlten bzw. nicht mehr aktiv waren, denn nur diese sind in der Lage, eine Leukämie auszulösen.

„Wir müssen die Menge an IGF1-Rezeptoren nur wenig reduzieren, um den Krebsstammzellen ihre Fähigkeit zur Selbsterneuerung zu nehmen. Offenbar sind Leukämie-Stammzellen in besonderem Maße von starken IGF1-Signalen abhängig“, erklärt Dr. Hind Medyouf, die Erstautorin der Arbeit.

Akute lymphatische Leukämien sind die häufigsten bösartigen Erkrankungen bei Kindern, doch auch ältere Erwachsene können betroffen sein. Die Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Behandlung, denn Wirkstoffe, die den IGF1-Rezeptor blockieren, existieren bereits und werden bei anderen Krebsarten, wie z. B. Brustkrebs bereits in klinischen Studien erprobt. Der Stammzell-Spezialist Trumpp erklärt: „Gerade ältere T-All-Patienten erleiden nach einer zunächst scheinbar erfolgreichen Chemotherapie oft einen Rückfall. Eine Hemmung des IGF1-Signalwegs würde insbesondere auf die Leukämie-Stammzellen wirken und könnte daher eine Rückkehr der Erkrankung verhindern.“

Hind Medyouf, Samuel Gusscott, Hongfang Wang, Carol Wai, Oksana Nemirovsky, Andreas Trumpp, Francoise Pflumio, Joan Carboni, Marco Gottardis, Michael Pollak, Jon C. Aster, Martin Holzenberger und Andrew P. Weng: High level IGF1R expression is required for leukemia-initiating cell activity in T-ALL and is supported by Notch signalling.Journal of Experimental Medicine, 2011, DOI:10.1084/jem.20110121

Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur Verfügung unter
www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2011/images/T-ALL-BM.jpg

Legende: Knochenmarksausstrich einer akuten T-Zell-Leukämie. Quelle: Hind Medyouf, Deutsches Krebsforschungszentrum

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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