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Präzisionsdiagnose von Hirntumoren: Antikörper erkennt Enzymdefekt

Nr. 47 | 19.10.2009 | von (Koh)

Mediziner unterscheiden über 100 verschiedene Arten von Hirntumoren. Die exakte Diagnose ist oft schwierig, da in der Regel nur winzige Mengen Tumormaterial zu Verfügung stehen. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg entwickelten einen diagnostischen Antikörper, der hochspezifisch ist für die charakteristische Veränderung eines Enzyms, die zwei gefährliche Arten von Hirntumoren kennzeichnet. Der Antikörper verspricht einfachere und genauere Diagnosen und erlaubt darüber hinaus auch eine Verlaufsprognose der Erkrankung.

Prof. Andreas von Deimling
© dkfz.de

Beim Erwachsenen sind Hirntumoren eine vergleichsweise seltene, aber besonders gefürchtete Erkrankung, die das Leben der Betroffenen oft sehr verändert. Man unterscheidet verschiedene Arten von Hirntumoren anhand ihres Ursprungsgewebes. Unter dem Überbegriff Gliome werden bösartige Neubildungen zusammengefasst, die von der Neuroglia, dem Stütz- und Nährgewebe des Gehirns, ausgehen. Zu den Gliomen, die etwa 20 Prozent aller Hirntumoren ausmachen, zählen unter anderem die Astrozytome und die Oligodendrogliome.

Bei der Abklärung des Verdachts auf einen Hirntumor startet die Diagnostik in der Regel mit einem bildgebenden Verfahren, etwa mit einer MRT-Aufnahme. Das Ergebnis muss anschließend von einem Neuropathologen an einer Gewebeprobe des Tumors bestätigt werden. Um gezielte Behandlungen einzuleiten, ist nun die präzise Diagnose der Tumorart wichtig. Hier stoßen die Neuropathologen manchmal an ihre Grenzen: „Oft erhalten wir Gewebe aus den Randzonen des Tumors, dort finden wir in der Regel nicht das typische Bild wie aus dem Lehrbuch“, erklärt Andreas von Deimling, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Neuropathologie, die im Deutschen Krebsforschungszentrum und im Institut für Pathologie der Universität Heidelberg angesiedelt ist. Erschwert wird die Arbeit der Pathologen außerdem dadurch, dass nur winzige Proben zur Verfügung stehen und das Gewebe bei der Entnahme oft deformiert ist.

Von Deimling und seine Mitarbeiter suchten daher nach einem Instrument, um die Erst- und Differentialdiagnosen von Hirntumoren zu vereinfachen und abzusichern. Fast 70 Prozent aller Astrozytome und Oligodendrogliome tragen eine Veränderung im Gen für das Enzym IDH1 (Isocitrat Dehydrogenase). Von allen IDH1-Mutationen betreffen 90 Prozent exakt den gleichen Aminosäurebaustein an Position 132 des Enzyms. Gemeinsam mit dem Antikörper-Spezialisten Prof. Hanswalter Zentgraf und seinen Mitarbeitern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum gelang es den Neurowissenschaftlern, einen monoklonalen Antikörper zu entwickeln, der sich nur dann an das Enzym IDH1 anheften kann, wenn die Mutation an Position 132 vorliegt. An das unveränderte Enzym bindet der Antikörper nicht.

Der Antikörper erfüllt eine weitere zentrale Anforderung für einen Einsatz in der klinischen Routine: Er reagiert auch an Gewebeschnitten, die in Paraffin eingebettet sind. Damit sind Mediziner nun in der Lage, bei positiver Antikörperreaktion auch an schwierigem Probenmaterial mit Sicherheit ein Astrozytom oder Oligodendrogliom zu diagnostizieren. Darüber hinaus können sie in der Gewebezone rund um die Tumoren einzelne Krebszellen feststellen.

Andreas von Deimling geht davon aus, dass der Antikörper, der zum Patent angemeldet ist, weltweit in die Hirntumor-Diagnostik Einzug halten wird. Außerdem haben Forscher gemeinsam mit Wolfgang Wick, dem Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Neuroonkologie des Deutschen Krebsforschungszentrums, kürzlich festgestellt, dass Mutationen des Enzyms IDH1 bei Astrozytomen und Oligodendrogliomen mit einem günstigen Verlauf der Erkrankung einhergehen. Weitere Studien sollen nun ergeben, ob dies zu entsprechend angepassten Therapien führen kann. Von Deimling ist sich vor allem sicher, dass der Antikörper bei seiner weiteren Forschung eine Schlüsselrolle spielen wird: „Nun wollen wir herausfinden, ob und wie die IDH1-Mutationen an der Entstehung von Krebs im Gehirn beteiligt sind“, erklärt der Neuropathologe.

Ein Bild von Andreas von Deimling steht zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2009/images/Deimling_von_Andreas.jpg

David Capper, Hanswalter Zentgraf, Jörg Balss, Christian Hartmann, Andreas von Deimling: Monoclonal antibody specific for IDH1 R132H mutation
Acta Neuropathologica 2009, DOI 10.1007/s00401-009-0595-z

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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