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GENOMICS AND CANCER 2006 - Kongressbericht I:

Prostatakrebs: Molekulares Profil soll Diagnosen absichern und Therapieempfehlung erleichtern

Nr. 74 | 13.09.2006 | von (Koh)

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Martiniklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf identifizieren Muster von Genaktivitäten, das Prostatakrebszellen in einem sehr frühen Stadium aufspürt

Ein erhöhter Wert beim PSA-Test auf Prostatakrebs muss grundsätzlich durch eine Biopsie abgesichert werden. In der Gewebeprobe sucht der Pathologe nach bösartig veränderten Zellen, die eine Krebserkrankung sicher nachweisen. Was einfach klingt, ist in der Praxis oft mit großen Schwierigkeiten verbunden: So passiert es nicht selten, dass die feine Biopsienadel die winzigen Tumornester innerhalb des Prostatagewebes verfehlt. Die Probe weist dann nur unverdächtige Zellen auf, obwohl nach der Erfahrung des Arztes alles für die Anwesenheit eines Karzinoms spricht. Hat der Pathologe dagegen Krebszellen nachgewiesen, müssen Patient und behandelnder Arzt eine schwierige Entscheidung treffen: Ist der Krebs aggressiv und erfordert er eine Therapie, die teilweise mit schweren Nebenwirkungen belastet ist, oder reicht es aus, bei regelmäßiger Beobachtung einfach abzuwarten?

Privatdozent Dr. Holger Sültmann, Abteilung Molekulare Genomanalyse im Deutschen Krebsforschungszentrum, stellt auf der Tagung einen aussichtsreichen Ansatz vor, um Prostatakarzinome in Zukunft sicherer zu erkennen und möglicherweise ihre Aggressivität frühzeitig einschätzen zu können. In Zusammenarbeit mit Dr. Thorsten Schlomm und Dr. Olaf Hellwinkel aus der Martiniklinik (Prostatakrebs-Spezialklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf) verglichen Sültmann und seine Mitarbeiter die Genaktivität histologisch unauffälliger Gewebeanteile aus der Vorsteherdrüse von Prostatakrebspatienten mit der Genaktivität im Prostatagewebe gesunder Männer. Die Wissenschaftler vermuteten, dass bei erkrankten Personen bestimmte Veränderungen im Genaktivitätsmuster einer histologisch sichtbaren Veränderung der Prostatazellen vorausgehen. Ihr Ziel ist, auch an Biopsieproben, die dem Pathologen unter dem Mikroskop noch unauffällig erscheinen, eine sichere Krebsdiagnose durchführen zu können. Dabei kristallisierte sich ein Muster an Genaktivitäten heraus, das wahrscheinlich ein sehr frühes Stadium der bösartigen Zellveränderungen kennzeichnet. Derzeit wird die Aussagekraft dieses Aktivitätsmusters an einem größeren Patientenkollektiv abgesichert. Voraussichtlich noch dieses Jahr kann mit der klinischen Erprobung des neuen Diagnoseverfahrens begonnen werden.

In einer zweiten Studie verglichen Sültmann und seine Hamburger Kooperationspartner bei 30 Prostatakrebspatienten die Aktivität von Genen im Tumorgewebe und angrenzenden gesunden Gewebe. Aus den insgesamt 324 Genen, bei denen Expressionsunterschiede festgestellt wurden, wählten die Forscher anhand mathematischer und zellbiologischer Kriterien zwölf Kandidaten, deren Aktivität besonders stark (teilweise bis zu achtfach) vom Normalgewebe abweicht. Diese zwölf reichen aus, um Krebs sicher zu erkennen. Eine Funktionsanalyse ergab, dass einige der zwölf Genprodukte das Invasionsverhalten der Tumorzellen mitbestimmen. Die meisten der zwölf Gene waren vorher noch nicht mit Prostatakrebs in Zusammenhang gebracht worden.

Im nächsten Schritt bestimmen die Wissenschaftler nicht mehr die Aktivität ihrer Kandidatengene, sondern quantifizieren die davon abgelesenen Proteine in den Tumorzellen. An der umfangreichen Tumorgewebebank der Hamburger Klinik wird geprüft, ob bestimmte Konzentrationsveränderungen dieser Eiweiße in den Krebszellen mit erhöhter Aggressivität des Tumors einhergehen - erste Hinweise dafür liegen bereits vor. Holger Sültmann erklärt dazu: "Bei Prostatakrebs werden Verbesserungen der Diagnostik dringend erwartet, aussagekräftige Tests auf molekularbiologischer Basis fehlen bisher. Noch sind wir mit unserer Entwicklung in einem rein experimentellen Stadium. Wir hoffen aber, dass die Genaktivitätsprofile in Zukunft Patienten und Ärzten bei der schwierigen Entscheidung helfen: Prostatakrebs - beobachten oder therapieren?"

Das Deutsche Krebsforschungszentrum veranstaltet die Tagung "GENOMICS AND CANCER 2006" in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN), einer Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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