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"Abfall"-RNA reguliert wichtige Zellvorgänge

Forscher finden Zusammenhang zwischen nicht-kodierender RNA und dem Stummschalten von Genen

Nr. 34 | 08.05.2006 | von (Jow)

Schon lange ist bekannt, dass ein Großteil der RNA einer Zelle von DNA-Bereichen stammt, die als sogenannte Intergenic Spacer (IGS) zwischen zwei Genen liegen und nicht für Proteine kodieren. Wissenschaftler um Prof. Ingrid Grummt aus der Abteilung Molekularbiologie der Zelle II des Deutschen Krebsforschungszentrums haben jetzt die wichtige Rolle von nicht-kodierenden RNA-Molekülen, die aus IGS-Regionen stammen, bei bestimmten Kontrollprozessen wie der Regulation der Herstellung von ribosomaler RNA (rRNA) entdeckt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Molecular Cell*.

RNA, neben DNA eine zweite Form der Nukleinsäure, ist ein wichtiger Übermittler der Erbinformation auf dem Weg vom Gen zum Protein. Neben dieser "Boten-" oder mRNA (messenger-RNA) gibt es zahlreiche andere RNA-Arten, die für die Zelle von großer Bedeutung sind. Im jetzt veröffentlichten Artikel dreht es sich um eine weitere RNA-Form, für die die Forscher eine neue Funktion aufgedeckt haben. Bei dieser Entdeckung handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs. "Ungefähr 95 Prozent der zellulären DNA ist nicht-kodierend, enthält also keine Information für die Synthese von Proteinen. Dabei stellen Transkripte dieser nicht-kodierenden Genabschnitte den Hauptregulator für Genaktivität in der Zelle dar und sind wahrscheinlich von größerer Bedeutung als Proteine", erläutert Dr. Christine Mayer. Der biologische Wert dieser Ergebnisse ist enorm: Erstmals wurde ein Mechanismus aufgedeckt, der zeigt, wie bisher als "Abfall-RNA"“ vernachlässigte Transkripte in Regulationsvorgänge auf Chromatinebene eingreifen. Die Existenz dieser scheinbar sinnlosen RNA ist schon länger bekannt, die Erkenntnis, dass diese Moleküle aber von essentieller Bedeutung für die Zelle sind, ist neu. Die lange gültige These, dass wichtige Regulationsprozesse alleine von Proteinen gesteuert werden, kann so nicht mehr aufrechterhalten werden. "Wir können sogar so weit gehen und behaupten, dass Proteine wahrscheinlich nur für die grundlegende Struktur und Funktion der Zelle zuständig sind, deren Regulation jedoch über RNA erfolgt", so Mayer. RNA-Moleküle sind also ein zentraler Bestandteil zellulärer Steuerungsvorgänge und wichtiger als bisher angenommen.

Die Gene, von denen ribosomale RNA abgelesen wird, sind durch nicht-kodierende IGS-Sequenzen getrennt. Die Forscher haben gezeigt, dass diese IGS-Sequenzen transkribiert werden und die Transkripte eine wichtige Rolle bei der Regulation der sie umgebenden Genbereiche spielen. DNA liegt in der Zelle in Form von Chromatin vor. Damit sie abgelesen werden kann, müssen spezielle Chromatin-modifizierende Proteinkomplexe die Erbsubstanz entpacken und für die Transkriptionsmaschinerie zugänglich machen. Umgekehrt sind solche Komplexe in der Lage, die DNA so zu verpacken, dass sie nicht mehr abgelesen werden kann.

Eine derartige Funktion übt der ‚Nukleoläre Remodelling Complex’ (NoRC) aus. Der NoRC-Komplex vermag diejenigen DNA-Bereiche abzuschalten, von denen rRNA abgelesen wird. Das Team um Prof. Grummt zeigte, dass NoRC die rRNA-Gene nur dann stilllegen kann, wenn eine RNA-Komponente an den Proteinkomplex gebunden ist. Bei dieser mit NoRC assoziierten RNA-Komponente handelt es sich um IGS-Transkripte, also diejenigen RNAs, die von den zwischen den rRNA-Genen liegenden nicht-kodierenden Bereichen abgelesen werden. Das bedeutet, dass kleine RNA-Moleküle, die früher als "Abfall" ohne weitere Funktion angesehen wurden, in der Lage sind, die Chromatinstruktur der DNA zu verändern und so die Genaktivität des rDNA-Locus abzuschalten.

* Christine Mayer, Kerstin-Maike Schmitz, Junwei Li, Ingrid Grummt, Raffaella Santoro: Intergenic Transcripts Regulate the Epigenetic State of rRNA Genes. Molecular Cell, Vol 22, 351-361

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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