25 Jahre Tumorzentrum Heidelberg/Mannheim: Eine Bilanz
"Das Tumorzentrum hat ausgezeichnete Arbeit geleistet", bilanzierte Professor Michael Wannenmacher, Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Radiologie des Heidelberger Universitätsklinikums, gestern auf einer Pressekonferenz zum 25-jährigen Bestehen des Tumorzentrums Heidelberg/Mannheim in Heidelberg.
Mit der in Deutschland einzigartigen Kombination aus Einrichtungen der Grundlagenforschung und Universitätskliniken sei man mittlerweile in die Weltspitze der Krebsforschung und –therapie aufgerückt, sagte Wannenmacher im Deutschen Krebsforschungszentrum. Anlässlich des Jubiläums fühle man sich jedoch erneut verpflichtet, zu Kritikpunkten Stellung zu nehmen, die in den letzten Jahren immer wieder auch von wissenschaftlicher Seite gegen das Konzept der Tumorzentren ins Feld geführt wurden.
Das Tumorzentrum Heidelberg/Mannheim wurde 1978 als eines der ersten deutschen Tumorzentren von den vier Kooperationspartnern Universitätsklinikum Heidelberg, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Universitätsklinikum Mannheim und Thoraxklinik Heidelberg gegründet und versorgt jährlich rund 10.000 Patienten, davon 3000 neu Erkrankte. Gefördert wird das Zentrum von Bund und Land mit derzeit etwa 2,8 Millionen Euro jährlich.
Aus der Taufe gehoben wurden die Tumorzentren mit der Zielsetzung, bundesweit die Versorgung von Krebspatienten zu verbessern. Man hatte erkannt, dass die auf die Patienten individuell zugeschnittene Behandlungsweise eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen Fachbereiche erforderlich machte.
Die Vorgabe: Forschungsvorhaben wissenschaftlich zu koordinieren, die Kooperation zwischen Grundlagenforschung, klinischer Forschung und Krankenversorgung zu verbessern und Forschungsergebnisse rascher verfügbar zu machen. Neue Therapiemöglichkeiten sollen somit schneller entwickelt und in die Praxis umgesetzt werden. Dabei sind die Tumorzentren nicht als in sich abgeschlossene Einheiten zu betrachten. Sie bilden vielmehr einen Expertenverbund aus Vertretern unterschiedlicher Disziplinen, die in einem Gremium über die Fälle der Patienten beraten, um gemeinsam zu Lösungen zu kommen und die dabei die Logistik der bereits vorhandenen Einrichtungen nutzen und verzahnen.
In Anbetracht der hochgesteckten Erwartungen an die Tumorzentren blieb Kritik nicht aus. Auf dem 24. Deutschen Krebskongress im Jahr 2000 in Berlin fuhr der damalige Präsident des Krebskongresses, der Berliner Professor Lothar Weißbach schweres Geschütz auf. Er warf den Tumorzentren vor, das Klassenziel verfehlt zu haben. Sie seien ineffizient, innovativen Therapiekonzepten gegenüber nicht aufgeschlossen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit sei unzureichend und die Krebsfrüherkennung erfülle längst nicht die in sie gelegten Hoffnungen. Kurz gesagt: In der damaligen Form hätten die Tumorzentren keine Zukunft. Diesen massiven Kritikpunkten traten die Vertreter der regionalen Partnerinstitutionen angesichts 25 Jahre langer Praxiserfahrung entschieden entgegen. Gerade das Tumorzentrum Heidelberg/Mannheim habe, auch aufgrund der besonderen Konstruktion unter Einbeziehung des DKFZ, in der Tumorforschung ausgezeichnete Ergebnisse vorzuweisen, sah Wannenmacher die Vorwürfe aus Fachkreisen widerlegt. "Ohne das Tumorzentrum wären wichtige Erkenntnisse in der Krebsforschung gar nicht möglich gewesen", gab sich auch Professor Peter Krammer von der Abteilung Immungenetik des DKFZ überzeugt von diesem wissenschaftlichen Kooperationsmodell. Die Zusammenarbeit von Theorie und Praxis funktioniere "hervorragend". So fördere das Tumorzentrum nur Projekte, welche von Grundlagenforschern des DKFZ und Fachleuten aus den angeschlossenen Kliniken gemeinsam realisiert würden. Diese systematische Einbindung der onkologischen Grundlagenforschung habe wesentlich zum Erfolg des Tumorzentrums beigetragen und die Entwicklung innovativer Behandlungsformen beflügelt, hieß es von Seiten der Wissenschaftler unisono. Die schon früh in Heidelberg und Mannheim angewandte Stammzelltherapie zur Bekämpfung der Leukämie sei so ein Beispiel für Synergieeffekte, die Schwerionentherapie ein anderes. "Wir sind immer besser in der Lage, Erkenntnisse der Grundlagenforschung an die Kliniken zu bringen", skizziert Krammer die Zusammenarbeit. Er sieht er im Tumorzentrum die Möglichkeit, überkommene Barrieren einzureißen und die klassischen Klinikstrukturen aufzubrechen: "Wir brauchen die Kliniker und sie brauchen uns."
Einen Schritt weiter geht das "Comprehensive Cancer Center", dessen Pilotphase am 1. Juli dieses Jahres in Heidelberg an den Start ging. Im Rahmen einer gleichberechtigten Kooperation zwischen Universitätsklinikum Heidelberg und DKFZ soll die bisherige Zusammenarbeit noch weiter intensiviert werden. Mittelpunkt ist eine interdisziplinäre Tumorambulanz. "Hier kommen Ärzte verschiedener Fachrichtungen zum Patienten, um mit ihm die weitere Vorgehensweise zu besprechen", erläutert Professor Anthony Ho, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik V der Universität Heidelberg, den neuen Ansatz. Die etablierten Kooperationsstrukturen der Tumorzentren bildeten hierfür eine ideale Ausgangsposition, so Ho.
Auch Professor Gunther Bastert von der Heidelberger Universitätsfrauenklinik konnte Weißbachs Kritik, etwa dass die Krebsfrüherkennung in den Tumorzentren keine Früchte trage, nicht nachvollziehen: "Seit Einführung der Vorsorgeuntersuchung sind wir bei Gebärmutterhalskrebs auf dem besten Wege, die Mortalität zu halbieren." Hochgerechnet auf den Zeitraum von zehn Jahren könne man heute betroffenen Frauen "in der Größenordnung einer deutschen Kleinstadt" das Leben retten, so Bastert. "Jedes Jahr werden in unseren Onkologischen Arbeitskreisen die Krankheitsbilder mehrer Hundert Patienten interdisziplinär diskutiert", widerspricht auch Professor Peter Drings, Leiter der Thorax-Klinik in Heidelberg den Thesen Weißbachs. Jeder Patient, der mit einem Tumorleiden in die Klinik komme, werde von mehreren Ärzten in Augenschein genommen, um die Behandlungsstrategie zwischen den verschieden Fachbereichen abzustimmen. Dies gelte nicht nur für Lungenkrebs, sondern im Rahmen des hiesigen Tumorzentrums auch für Tumoren des Darmes, der Brust, von Leber und Bauchspeicheldrüse. Der Behandlungserfolg werde also nicht, wie von Weißbach postuliert, dem Zufall überlassen, "sondern wir suchen gemeinsam nach den besten Behandlungsmöglichkeiten".
Dem konnte Wannenmacher nur zustimmen: "Bei uns herrscht Demokratie. Der Patient steht im Mittelpunkt, egal, von wem er wohin überwiesen wird. Für ihn streben wir die optimale Lösung an." Dahingehend zielen ebenfalls die vom Tumorzentrum angebotenen Fortbildungs- und Beratungsmöglichkeiten für Ärzte, die nach Angaben des Tumorzentrums auch überregional großen Anklang fänden, ebenso wie das Beratungsangebot für Patienten, etwa über den Krebsinformationsdienst des DKFZ oder über die jährlichen Patiententage. Ambulante Nachsorge und psychologische Betreuung seien ebenso Teil des Gesamtkonzepts. Dennoch gebe es trotz aller erzielten Fortschritte in einzelnen Bereichen noch Verbesserungsbedarf, gestand Wannenmacher ein, etwa in der Koordination von klinischen Studien. Aber der Radiologe gibt sich optimistisch: "Wir arbeiten daran."
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
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