HPV-bedingte Krebserkrankungen: besser vorbeugen, sicherer erkennen, erfolgreicher behandeln
Fast 2000 Wissenschaftler aus 78 Nationen treffen sich vom 17. bis 22. September im Berliner Kongresszentrum ICC, um neueste Forschungsergebnisse über krebserregende humane Papillomviren und die mit diesen Erregern assoziierten Erkrankungen auszutauschen.
Als 2008 Harald zur Hausen den Nobelpreis für Medizin erhielt, gerieten die humanen Papillomviren, kurz HPV, eine zeitlang in den Fokus der Öffentlichkeit: Der Arzt und Wissenschaftler zur Hau-sen vom Deutschen Krebsforschungszentrum erhielt die hohe Auszeichnung für seine Entdeckung,, dass bestimmte Papillomviren Gebärmutterhalskrebs verursachen. Auf der Grundlage seiner Ergebnisse konnte die Rolle dieser Erreger bei der Krebsentstehung aufgeklärt werden. Damit war die Basis gelegt für die Entwicklung von Impfstoffen, die vor einer Infektion mit krebserregenden Papillomviren und damit vor Gebärmutterhalskrebs schützen.
„Viele Bereiche der HPV-Forschung sind derzeit in einer besonders spannenden Phase. So zeigen erste Ergebnisse australischer Kollegen, dass die Impfung wirkt", freut sich Lutz Gissmann aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum, einer der Organisatoren der Berliner Tagung. Australien war 2007 eines der ersten Länder, das ein flächendeckendes HPV-Impfprogramm etablierte. Erste Auswertungen dieses Programms belegen nun, dass die Impfung nicht nur unter den streng definierten Bedingungen einer klinischen Studie wirkt, sondern auch bei Anwendung in der breiten Bevölkerung: Bei jungen Mädchen, die sehr früh und damit vor der Aufnahme erster Sexualkontakte geimpft wurden, ging die Zahl der Krebsvorstufen um 60 Prozent zurück. Diesen Trend bestätigt auch der signifikante Rückgang an Genitalwarzen um 73 Prozent nach Impfung mit dem tetravalenten Impfstoff Gardasil®.
Bereits diese ersten Daten widerlegen vielfach geäußerte Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vakzine: Das Immunsystem der Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren ist entgegen mancher Befürchtungen sehr wohl in der Lage, die Virusinfektion abzuwehren. Außerdem zeigt der Rückgang an Krebsvorstufen, dass nach „Vertreibung" der Hochrisikotypen HPV16 und 18 durch die Impfung offenbar keine anderen krebserregenden HPV deren Nische einnehmen:
Der Virologe Andreas Kaufmann von der Berliner Charité betont jedoch: „Mehrere Konferenzbeiträge zeigen, wie die heute verfügbaren HPV-Impfstoffe weiter verbessert werden könnten - sowohl was das Wirkspektrum betrifft, als auch, was die Herstellungsverfahren und den dadurch bedingten Endpreis angeht." So erproben US-amerikanische HPV-Virologen etwa das HPV-Protein L2 als Impf-Antigen. Ein L2-Impfstoff kann in Bakterien hergestellt werden, damit entfällt die teure Produktion in der Zellkultur. Außerdem würde eine Immunisierung mit L2 vor einem sehr breiten Spektrum an krebserregenden Papillomviren schützen.
Auch therapeutische Impfungen, d. h. Immuntherapien, die bereits bestehende Krebsvorstufen heilen können, sind bereits in der klinischen Erprobung: Wissenschaftler um den Niederländer Cornelis Melief von der Universität Leiden stellen einen Impfstoff vor, der aus 13 verschiedenen Protein-Abschnitten (Peptiden) der HPV16-Onkoproteine E6 und E7 besteht. .Damit wurden bereits Vorstufen von Vulva-Karzinomen erfolgreich behandelt.
Auch wenn die HPV-Impfung in Zukunft vielen Frauen das Schicksal der Diagnose Gebärmutterhalskrebs ersparen kann – ganz verhindern lässt sich diese Krebserkrankung nicht. Deshalb arbeiten Ärzte nach wie vor an verbesserten Behandlungsmethoden für die betroffenen Frauen. 20 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs treten zwischen dem 15. und 39. Lebensjahr auf. Damit ist das Zervixkarzinom der gynäkologische Tumor, der die jüngsten Frauen betrifft. „Das hat zur Folge, dass immer mehr Frauen während ihrer Familienplanungsphase mit der Diagnose Zervixkarzinom konfrontiert sind", erklärt Achim Schneider, Leiter der Klinik für Gynäkologie der Berliner Charité. Speziell für diese Patientinnen entwickelten Schneider und seine Kollegen eine fertilitätserhaltende Operationsmethode, die Gebärmutterhals-Teilresektion. Allerdings müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, damit diese Behandlung in Frage kommt. „Der Krebs darf noch nicht zu weit fortgeschritten sein", sagt Schneider „Wenn die Voraussetzungen stimmen, erreichen unsere so operierten Patientinnen mit Kinderwunsch eine Schwangerschaftsrate von über 50 Prozent."
Der auf immer spätere Lebensjahre aufgeschobene Kinderwunsch bringt auch mit sich, dass Gebärmutterhalskrebs heute vermehrt während einer Schwangerschaft diagnostiziert wird. Schneider und Kollegen ermitteln in solchen Fällen anhand des Lymphknotenstatus, wann es vertretbar ist, die Krebsbehandlung hinauszuschieben. „So können wir neun von zehn Schwangerschaften erhalten und die Mehrzahl der Kinder nach der 35. Woche per Kaiserschnitt auf die Welt holen."
Für die ärztlichen Teilnehmer der 27th International Papillomavirus Conference bietet der „Preclinical Workshop" am 16. September einen besonderen Service: Die Chirurgen übertragen operative Eingriffe direkt in den Hörsaal, wo Achim Schneider dem Fachpublikum die entscheidenden Schritte der Operationen erläutert.